„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ So klar und unmissverständlich ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau seit dem 23. Mai 1949 im Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland verankert. Ein rundes Dreivierteljahrhundert später müssen wir vor allem mit Blick auf die Beschäftigungszahlen ernüchtert feststellen, dass sich diese Gleichberechtigung leider nicht in Chancengleichheit niederschlägt. Um auf die Probleme, aber auch auf mögliche Wege aus der Misere aufmerksam zu machen, richtet die Bundesagentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen vom 8. bis zum 12. Mai eine Woche der Chancengleichheit aus.
„Seit die Gleichberechtigung Eingang ins Grundgesetz gefunden hat, ist viel passiert“, weiß Monique van Huijstee, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit Krefeld. „So erkannte man in den 1990er-Jahren, dass die Geschlechteridentität unbedingt auch Berücksichtigung im Arbeitsvermittlungsprozess finden muss. Und mit dem Inkrafttreten des SGB III am 1. Januar 1998 wurde die Frauenförderung dann endlich gesetzlich festgeschrieben und die Arbeitsämter dazu verpflichtet, ihre aktive Arbeitsförderung auch unter dem Aspekt der Frauenförderung abzubilden.“ Leider klafft aber immer noch eine Lücke, wenn man die Beschäftigung von Männern und Frauen betrachtet: „Der neue Indikator Gender Gap Arbeitsmarkt lag im vergangenen Jahr bei 39 Prozent“, erklärt van Huijstee. „In seine Berechnung fließen die Bruttostundenverdienste, die Zahl der Arbeitsstunden sowie die Erwerbstätigenquote ein.“ Im Klartext: Frauen verdienen weniger als Männer in vergleichbarer Tätigkeit, sie arbeiten häufiger in Teilzeit und sind seltener überhaupt am Erwerbsleben beteiligt. Die Corona-Krise hat die bestehenden Probleme wie unter einem Brennglas besonders deutlich hervortreten lassen: Als die Kinderbetreuung wegfiel und Homeschooling angesagt war, waren es in der Regel die Frauen, die zu Hause blieben, um den Nachwuchs zu hüten und Hausaufgaben zu überwachen. „Das ist in vielen Familien eine nachvollziehbare wirtschaftliche Entscheidung“, argumentiert van Huijstee. „Da Frauen in der Regel weniger Geld in den Haushalt einbringen als ihre Ehemänner, war es klar, wer im Zweifel zu Hause bleiben musste.“ Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels erhalte diese Entwicklung aber noch einmal besondere Brisanz, so van Huijstee: „Wenn es in Zukunft darum gehen wird, Eltern und Angehörige zu pflegen, wird es mehrheitlich die Frauen treffen, mit absehbaren Folgen für die Beschäftigungsquoten – und die Höhe der Altersversorgung.“ Langfristig drohe vielen Frauen die Altersarmut.
Krefeld hinkt dem bundesdeutschen Schnitt hinsichtlich der Frauenerwerbstätigkeit übrigens noch deutlich hinterher. Als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt berät Monique van Huijstee daher tagtäglich Frauen, die arbeitslos sind oder nach absolvierter Elternzeit wieder ins Berufsleben einsteigen möchten. „Vielen noch gänzlich unbekannt ist die Möglichkeit einer Teilzeit-Ausbildung“, so van Huijstee. „Mit dem ausbildenden Betrieb können entsprechende Verabredungen getroffen werden, nach denen die Ausbildung komplett oder nur während bestimmter Phasen in Teilzeit absolviert wird. Und das nicht nur aufgrund von Pflege- oder Erziehungszeiten. Das bedeutet, das junge Eltern nicht von vornherein vom Berufsleben ausgeschlossen sind.“ Die gebürtige Niederländerin steht zu diesem Thema in intensivem Kontakt mit hiesigen Netzwerkpartnern, um Überzeugungsarbeit zu leisten und Unterstützung zu bieten. „Steter Tropfen höhlt den Stein. Aber glücklicherweise sehen die allermeisten Unternehmen die Notwendigkeit, tätig zu werden. Angesichts des Fachkräftemangels ist es geradezu ein Muss, Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Gegenwärtig liegt dort nämlich ein riesiges ungenutztes Potenzial. Mal ganz davon abgesehen, dass es kein Geheimnis mehr ist, dass Diversität am Arbeitsplatz sowohl positiv zum Arbeitsklima als auch zur Produktivität beiträgt.“ Natürlich sind es aber nicht allein Goodwill und flexible Ausbildungsmodelle, die Abhilfe schaffen. Auch die Kinderbetreuung muss sichergestellt werden: Es mutet vor dem geschilderten Hintergrund fast schon ironisch an, dass in NRW aktuell rund 25.000 Erzieherinnen fehlen. Man sieht: Auch nach mittlerweile 25 Jahren gesetzlich festgelegter Frauenförderung mangelt es Monique van Huijstee nicht an Herausforderungen.
Die Veranstaltungen während der Woche zur Chancengleichheit betrachtet sie als wichtigen Wegweiser. Sie sollen das Bewusstsein für die relevanten gesellschaftlichen Wandlungsprozesse noch einmal schärfen – aber natürlich auch neue Chancen und Möglichkeiten offenbaren. So gibt das Autorenduo Hesse/Schrader, Deutschlands führende Experten in Bewerbung, Karriere und Personalentwicklung, in einem Onlinevortrag am Dienstag, 9. Mai, von 9 bis 11 Uhr, wertvolle Ratschläge zum Verfassen einer sowohl ansprechenden wie auch taktisch klugen Bewerbung speziell für Wiedereinsteigende und Berufsrückkehrer*innen. Die Teilnahme ist kostenlos und lohnt sich, wie man als Betroffene ganz generell einmal Kontakt zu Monique van Huijstee aufnehmen sollte: „Ich kann bei vielen Fragen und Problemen Antwort und Hilfestellung geben oder den Kontakt zu geeigneten Ansprechpartnern vermitteln. Viele Frauen wissen tatsächlich nicht, dass eine Lösung in greifbarer Nähe liegt, weil sie das passende Angebot nicht kennen.“ Es wird höchste Zeit, daran etwas zu ändern. Dass Frauen der Zugang zum Arbeitsmarkt in vielerlei Hinsicht immer noch erschwert wird, schadet am Ende nämlich uns allen.
Online-Vortrag „Der Arbeitsmarkt sucht Persönlichkeiten!“
Dienstag, 09. Mai, 9 bis 11 Uhr
Voranmeldung bis 07. Mai unter: eveeno.com/353049725
Monique van Huijstee
Die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt (BCA) der Agentur für Arbeit Krefeld
Agentur für Arbeit Krefeld
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Telefon: 02151 92-2412
E-Mail: krefeld.bca@arbeitsagentur.de
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